OTC-Produkte im Portfolio: Chancen, Risiken und strategische Überlegungen

In Zeiten zunehmender Marktvolatilität und wachsender Unsicherheit suchen Anleger nach Wegen, ihre Portfolios individuell zu gestalten – abseits ausgetretener Pfade. Während börsengehandelte Produkte klare Strukturen, Transparenz und Sicherheit bieten, reizt manche Investoren die größere Freiheit im sogenannten OTC-Markt: „Over-the-Counter“ steht für den außerbörslichen Handel mit Finanzinstrumenten, der – wie der Name schon sagt – nicht über klassische Börsen, sondern direkt zwischen zwei Parteien stattfindet.

Was für institutionelle Investoren längst Alltag ist, wird zunehmend auch für vermögende Privatanleger und Family Offices interessant. Doch mit der Freiheit kommt auch die Verantwortung – und die Notwendigkeit, genau hinzusehen. In diesem Beitrag werfen wir einen differenzierten Blick auf die Rolle von OTC-Produkten im Portfolio: Welche Chancen bieten sie? Wo liegen ihre Risiken? Und worauf sollte man achten, wenn man strategisch mit ihnen arbeitet?

Was sind OTC-Produkte genau?

OTC-Produkte (Over-the-Counter) sind Finanzinstrumente, die nicht standardisiert an einer Börse gehandelt werden. Stattdessen handelt es sich um individuell ausgehandelte Verträge zwischen zwei Parteien – meist Banken, Finanzinstitute oder institutionelle Investoren. Auch semiprofessionelle Privatanleger erhalten zunehmend Zugang, etwa über spezialisierte Plattformen oder direkte Geschäftsbeziehungen.

Zu den bekanntesten OTC-Produkten gehören Derivate wie Swaps, strukturierte Anleihen, Kreditderivate (z. B. Credit Default Swaps) oder Rohstoffkontrakte. In jüngerer Zeit sind auch tokenisierte Assets und digitale Finanzprodukte Teil dieses Segments geworden. Charakteristisch für alle OTC-Produkte ist die Abwesenheit einer zentralen Börsenplattform, was Flexibilität ermöglicht – aber auch Intransparenz schafft. Wer sich im Detail informieren möchte, kann hier mehr erfahren und mit ersten Geschäften loslegen.

Chancen: Flexibilität, Individualisierung, Nischenzugang

Ein zentrales Argument für den OTC-Handel ist die Flexibilität. Standardisierte Produkte wie ETFs oder Optionsscheine sind oft zu allgemein, um komplexe oder spezifische Anlagestrategien abzubilden. OTC-Produkte lassen sich hingegen maßgeschneidert gestalten – angepasst an Laufzeit, Volumen, Risiko-Rendite-Profil und Absicherungsbedürfnisse.

Beispielsweise können Unternehmen über Zins- oder Währungs-Swaps ganz gezielt Risiken aus dem operativen Geschäft absichern. Ebenso nutzen Investoren OTC-Produkte, um auf bestimmte Marktmeinungen zu setzen, die sich mit klassischen Instrumenten nicht umsetzen lassen – etwa auf Korrelationen zwischen zwei Märkten oder die Absicherung gegen extreme Kurssprünge.

Zudem eröffnet der OTC-Markt Zugang zu Nischen, die über Börsen schwer oder gar nicht abbildbar sind. Dazu zählen exotische Rohstoffe, selten gehandelte Anleihen oder individuelle Kreditausfallversicherungen. Gerade für institutionelle Anleger oder Family Offices mit ausgeprägter Anlagestrategie ist das ein relevantes Argument.

Risiken: Intransparenz, Kontrahentenrisiko, Liquiditätsprobleme

Wo keine Börse wacht, wird Vertrauen zur Währung. Das zentrale Risiko im OTC-Handel ist das sogenannte Kontrahentenrisiko: Es besteht die Möglichkeit, dass die Gegenpartei (z. B. eine Bank) ihre Verpflichtungen nicht erfüllt. Dieser Aspekt wurde während der Finanzkrise 2008 schmerzhaft deutlich, als der Zusammenbruch von Lehman Brothers zahlreiche OTC-Verträge wertlos machte.

Ein weiteres Problem ist die mangelnde Transparenz. Da Preise und Vertragsbedingungen bilateral vereinbart werden, existiert kein öffentlich einsehbarer Marktpreis. Das erschwert nicht nur die Bewertung von Positionen, sondern auch das Risikomanagement. Die regulatorische Kontrolle ist schwächer – auch wenn sich das nach der Finanzkrise durch verpflichtende Melderegister und Clearingpflichten in Teilen geändert hat.

Ein drittes Risiko liegt in der eingeschränkten Handelbarkeit. Während börsennotierte Produkte in der Regel täglich handelbar sind, kann der Ausstieg aus einem OTC-Produkt schwierig oder teuer sein – insbesondere in stressigen Marktphasen.

Strategische Überlegungen für Anleger

Wer OTC-Produkte in sein Portfolio aufnehmen möchte, sollte dies nicht leichtfertig tun. Vielmehr gilt es, den Einsatz strategisch zu planen und auf fundierten Analysen aufzubauen. OTC-Produkte eignen sich nicht für die kurzfristige Spekulation, sondern vielmehr für gezielte Absicherungsstrategien oder taktische Ergänzungen im Portfolio.

Dabei ist entscheidend, wie hoch der Anteil solcher Produkte im Gesamtportfolio ist. Ein zu hoher OTC-Anteil kann die Transparenz und Steuerbarkeit der Vermögensstruktur beeinträchtigen. Zudem erfordern OTC-Instrumente meist ein höheres Maß an fachlicher Kompetenz – entweder durch eigenes Know-how oder durch die Zusammenarbeit mit spezialisierten Beratern.

Auch die Auswahl des Vertragspartners ist kritisch. Nur wenn Bonität, Reputation und Vertragsgestaltung stimmen, kann das Kontrahentenrisiko minimiert werden. Parallel sollten Alternativen stets geprüft werden: Gibt es ein börsengehandeltes Produkt mit ähnlichem Profil? Ist der Mehraufwand durch OTC tatsächlich gerechtfertigt?

Fazit: Freiheit mit Verantwortung

OTC-Produkte sind kein Allheilmittel – aber ein mächtiges Werkzeug, wenn sie mit Umsicht eingesetzt werden. Sie bieten Möglichkeiten, die klassische Börsenprodukte nicht leisten können: individuelle Gestaltung, Zugang zu Nischenmärkten, präzise Risikosteuerung. Doch mit diesen Vorteilen gehen auch größere Anforderungen einher: an Wissen, Struktur, Disziplin – und nicht zuletzt an das eigene Risikobewusstsein.

In einem zunehmend komplexen Finanzumfeld kann der OTC-Markt eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Doch wer sich in diese Grauzone wagt, sollte das mit klarem Blick tun. Nicht alles, was maßgeschneidert ist, passt am Ende auch wirklich – und nicht jede Freiheit ist ohne Preis.